Stark oder schwach?

 

Walter ist Deutschlehrer einer Realschule und letzte Woche kam es in seiner Klasse zu einem heftigen Streit zwischen zwei Schülern. Der Rektor der Schule lud Walter daraufhin zu einem Krisengespräch ins Rektorat: „Ich fordere von Ihnen einen konstruktiven Lösungsansatz in diesem Konflikt!“, sagte der Rektor in strengem Ton. Walter nickte, denn genau diesen Lösungsansatz hätte er auch gerne. Walter hatte schon intensiv über mögliche Wege der Konfliktlösung nachgedacht, viele seiner Ideen aber bereits verworfen. Und so saß er vor dem Rektor der Schule, ohne konkreten Vorschlag, ohne Krisenplan und sagte: „Ich weiß, was Sie meinen, aber ich habe für den aktuellen Konflikt noch keine Lösung. Ich muss darüber nachdenken.“

 

Was jetzt passierte, überraschte Walter so sehr, dass er mir davon berichtet: „Wissen Sie, wie der Rektor reagiert hat? Er schaute mich an und in seinem Blick lag ... Respekt! Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich gebe offen zu, noch keine Lösung zu haben und erfahre Achtung. Wieso bekomme ich Respekt, wenn ich zugebe, keine Lösung zu haben? Ich bin total perplex.“

 

Wie ist die Reaktion des Rektors zu deuten?

 

Walter gibt eine vermeintliche Schwäche zu und erscheint stark. Wir überlegen gemeinsam, wie die Reaktion des Rektors zu interpretieren ist: Walter signalisierte ganz deutlich, dass er ernsthaft an einer Lösung arbeitet. In seiner Stimme lag Überzeugung, als er dies sagte. Was passiert hier auf der dahinterliegenden psychologischen Ebene? Walter übernimmt unmissverständlich die Verantwortung für den weiteren Verlauf des Konfliktes. Genau dieses Signal „Ich fühle mich verantwortlich, dass wir eine Lösung finden“ macht ihn stark.

 

Wir müssen gar nicht immer sofort eine Lösung präsentieren. Manchmal reicht es, wenn wir klar und deutlich signalisieren, dass wir uns verantwortlich fühlen. „Ich muss darüber nachdenken“ - was für ein vielschichtiger Satz!

 

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