Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt

 

Maria ist sauer. Zwei Jahre lang arbeitete sie in einer kleinen Schneiderei, als ihr Chef ihr letzte Woche die Kündigung auf den Tisch legte. In der heutigen Stunde lässt Maria ihrer Wut freien Lauf: „Jetzt hat mich der Chef einfach so entlassen, eiskalt. Der denkt nur an sich. Wie ich jetzt alleine durchkomme ist ihm total egal. Wie kann man so kaltherzig sein? Ich bin stinksauer, so geht man einfach nicht mit Menschen um!“

 

Was passiert hier gerade? Haben Sie eine Idee?

 

Maria wurde nach mehreren begründeten und stichfesten Abmahnungen entlassen. Die Verantwortung für ihre Kündigung weist sie jedoch rigoros von sich. Und wir werden gerade Zeuge der einfachsten Strategie der Welt. Der Andere ist schuld! Diese energiesparende Vorgehensweise ist so einfach, so leicht und verführerisch, denn im Handumdrehen ebnen wir uns einen unbequemen Weg. Mit einer simplen Schuldzuschreibung legen wir uns die Welt so zurecht, wie sie uns gefällt und zaubern uns einen Ausweg aus einer komplexen Lage: Der Chef ist kaltherzig und egoistisch und ich bin von aller Mitverantwortung befreit. Wie herrlich einfach ist das!

 

Evolutionär ist diese Vorgehensweise extrem energiesparend und häufig auch sinnvoll. Diese Strategie muss die Psyche nicht kompliziert erwerben, sie wird in der Grundeinstellung unseres psychischen Apparates umsonst mitgeliefert. Sie hat eine jahrtausendealte Tradition und ist sehr viel schneller verfügbar, als sich selbst die unbequeme Frage zu stellen, was mein Anteil an einem Konflikt ist.

 

Was ist der nächste therapeutische Impuls?

 

Im Moment ist Maria von der Frage, was sie vielleicht falsch gemacht haben könnte, weit entfernt. Langfristig wird es hilfreich und günstig sein, wenn sie sich mit den Gründen ihrer Kündigung beschäftigt. Wie kann ich es einrichten, nicht so oft zu spät zu kommen? Wie kann ich mich disziplinieren, keine privaten Nachrichten am Arbeitsplatz zu schreiben? Wie gelingt es mir, kein teures Seidenkleid falsch zusammenzunähen? In der heutigen Stunde ist Maria nicht empfänglich für diese Fragen. Ihr Abwehrmechanismus ist aktiviert und damit ist jedes Fenster für einen Perspektivwechsel geschlossen! Jetzt heißt es zuhören, die Gefühle ernst nehmen, annehmen, verstehen und neutral bleiben. Erst wenn Marias Gefühle von Ärger und Wut abgeklungen sind, öffnet sich vielleicht ein Fenster für den sehr viel schwereren Weg der Verantwortungsübernahme.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Marie Christine SALOU (Sonntag, 08 September 2019 18:54)

    J'ai fait une psychothérapie suite à une dépression post partum. J'ai suivi des soins psychologiques pendant 10 ans.